Die transzendente Natur des Heiligen Namens –
Teil 1

Von Satyanarayana Dasa

 

Im Bhāgavata Sandarbha stellt Śrīla Jīva Gosvāmī auf der Grundlage verschiedener vedischer Schriften fest, dass das Leben und Wirken Śrī Bhagavāns transzendent ist und sich von jenem sterblicher Wesen unterscheidet. Jīva Gosvāmī belegt außerdem, dass auch die Namen Kṛṣṇas spirituell sind. Bhagavān wird als anāmā (wörtlich: namenlos) bezeichnet, da Er keine materiellen Namen hat. In dieser materiellen Welt erhält ein Kind bei der Geburt einen Namen und gehört auf natürliche Weise einer Kaste, Gruppierung, einem Stamm, einer religiösen Gemeinschaft oder einer ethnischen Gruppe an. Diese körpergebundenen Bezeichnungen wie Name, Klasse und Nationalität sind materiell und von begrenzter Dauer. Sie bestehen nur so lange wie der Körper selbst. Manchmal können sie sich sogar im Laufe eines Lebens ändern.

Das Leben Śrī Bhagavāns ist transzendent und ewig. Daraus folgt, dass auch Seine Namen ewig sind. Seine Namen finden sich in den ewigen vedischen Mantras. Seine Form ist ewig, und die Nyāya-Schule der Logik kommt zu folgendem Schluss: „Die Eigenschaften eines ewigen Objekts sind ebenfalls ewig“ (nityaṁ gataṁ nityaṁ, Tarka Saṁgraha (3.6)). Demnach sind die Namen Śrī Bhagavāns und Seine weiteren Eigenschaften ewige Manifestationen Seiner inneren Kraft. Niemand kann Kṛṣṇa einen Namen geben, da Er bereits vor allen anderen existierte. Tatsächlich ist Er derjenige, der alle von Ihm erschaffenen Dinge benannt hat: Das Wissen um die Namen verschiedener Dinge und der jeweiligen Pflichten verschiedener Personen erlangte Brahmā durch die Worte der Veden. Dementsprechend verkündete er die Ordnung der Namen und Pflichten (Manu Smṛti (1.21)).

Śrī Kṛṣṇa ist bekannt als Vedānta-Kṛt (Gītā (15.15)), Verfasser des Vedanta, und als Vedavid, Kenner der Veden. Er ist jener, der die Veden zu Brahmā sprach (SB (11.14.3)). Die einem Menschen zugewiesenen Namen und Einordnungen sind nicht Teil seines Wesens, sie können geändert oder durch andere ersetzt werden, ohne dessen essenzielles Wesen zu verändern. Sie dienen lediglich dazu, den Umgang in der Erfahrungswelt zu erleichtern. Ein Narr kann Paṇḍita-Śiromaṇi (das Kronjuwel der Gelehrten) und ein Blinder, Padma-Locana (der Lotusäugige) genannt werden, dies hat jedoch keinen Einfluss auf ihr Wesen. Zwischen dem Namen einer Person und ihren Eigenschaften besteht kein tatsächlicher Zusammenhang. Bei den Namen Bhagavāns ist dies anders: Kṛṣṇa unterscheidet sich nicht von Seinen Namen, daher ist all Seine Kraft auch in Seinen Namen enthalten.

Dies wird von Śrī Caitanya Mahāprabhu bestätigt: Oh Bhagavān, Du hast unendlich viele Namen und Du hast diese Namen mit all Deinen Kräften erfüllt. Du hast zudem keine Regeln aufgestellt, wo und wann diese Namen zu erinnern sind. So groß ist Deine Barmherzigkeit, oh Bhagavān, und dennoch bin ich so unselig, dass ich keine Liebe für Deine Namen empfinde. (Śikṣāṣṭaka (2))
Diese Wahrheit kann durch das Chanten des Namens von Śrī Bhagavān ohne eine Verfehlung zu begehen, verwirklicht werden.

Die Namen Śrī Kṛṣṇas können seine Eigenschaften ausdrücken, wie Ghana-Śyāma, „Er, der schwarz ist wie eine frische Monsunregenwolke“. Sie können sich auch auf Seine Spiele beziehen, wie Giridhārī, „Er, der den Govardhan-Hügel emporhob“. Da Er von Natur aus überkonventionelle Eigenschaften besitzt und ewig Spiele jenseits des Egos (Līlās) manifestiert, ist es nicht notwendig, Ihm rein begriffliche Namen zu geben, die Seine wahre Natur nicht widerspiegeln können.

In der vedischen Kultur war es üblich, nach der Geburt eines Kindes gelehrte Brahmanen einzuladen. Sie erstellten ein Horoskop und gaben dem Kind einen Namen im Einklang mit seiner zukünftigen Bestimmung. Die Namenszeremonien von Parīkṣit Mahārāja und Śrī Kṛṣṇa im Śrīmad Bhāgavata sind Beispiele dafür. Aus diesem Grund entsprechen die Namen den Charakteren der Bezeichneten in der vedischen Literatur so gut. Die Übereinstimmung ist tatsächlich so groß, dass Skeptiker die Geschichten als reine Fabel interpretieren und schlussfolgern, die passenden Namen müssten vom Autor gewählt worden sein.

Den vedischen Autoritäten zufolge haben selbst Buchstaben eine transzendente Kraft. Jaimini stellt in seinem Mimāṁsā Sūtra fest: „Worte sind gewiss ewig. Ihre Aussprache vermittelt Bedeutung“ (1.1.18). Bhagavān Upavarṣa, ein großer Mīmāṁsaka, sagt, dass jeder Buchstabe ein Wort ist. Somit sind auch Buchstaben ewig. Im Sanskrit werden die Buchstaben daher mit akṣara umschrieben. Akṣara bedeutet „unvergänglich“. Sind Worte ewig, so müssen auch ihre Bestandteile ewig sein. Erneut, es widerspricht der Logik, dass eine ewige Sache aus vergänglichen Teilen besteht, denn „Was nicht in der Ursache enthalten ist, kann nicht in der Wirkung sein“ (Vaiśeṣika Sūtra (1.1.13)).

Laut Śrī Kṛṣṇa sind Worte eine Manifestation von Brahman: Śrī Bhagavān, der allem Leben gibt, offenbart sich in den Chakren des menschlichen Körpers. Nachdem Er zusammen mit dem klingenden Prāṇa in das Mūlādhāra-Cakra eingetreten ist und subtile Formen aus Gedankenmaterial angenommen hat, manifestiert Er sich in einer groben Form [auf der Zunge], die aus Vokalen, Akzenten und Konsonanten besteht. (SB (11.12.17)) Dies ist auch die Meinung von Tāntrikas und Grammatikern wie Pāṇini.

Hier könnte ein Einwand erhoben werden. Wir machen alle die Erfahrung, dass Worte mithilfe der Stimmbänder, der Zunge, des Gaumens, der Lippen usw. gesprochen werden und dann sofort wieder verloren gehen. Wie können Worte also ewig sein? Die Antwort darauf ist, dass Zunge und Mund die Worte nicht erschaffen, sondern sie nur aussprechen und an andere übermitteln. Worte existieren ewig, doch erst durch die Sprache werden sie hörbar. Sprache ist wie Licht, das Dinge in einem dunklen Raum sichtbar werden lässt, es erzeugt sie nicht.

Der Heilige Name Śrī Bhagavāns ist gewiss ewig. Er unterscheidet sich nicht von Ihm, existiert aus sich selbst heraus und ist in seinem Wesen bewusst. In den Abschnitten 35.3 und 35.4 des Bhāgavata Sandarbha wählt Śrīla Jīva Gosvāmī einige Verse aus den Veden und Puranas aus, um die bewusste Natur des Namens zu belegen.

Śabda ist das einzige Pramāṇa (bzw. gültige Mittel zur Erkenntnis), das geeignet ist, Wissen über die Wirklichkeit zu erlangen, die der materiellen Natur zugrunde liegt und sie transzendiert. Śrī Śuka hat die Herrlichkeiten des Heiligen Namens im Śrīmad Bhāgavata deutlich erklärt, insbesondere in der Geschichte von Ajāmila. Der Heilige Name kann einen Menschen befreien, selbst wenn er nur zufällig gechantet wird – die Kraft eines Objekts hängt nicht vom Wissen seines Benutzers ab. Feuer verbrennt, ob man absichtlich oder aus Versehen damit in Berührung kommt. Auf ähnliche Weise verbrennt der Name Śrī Bhagavāns die Sünden zu Asche, gleich ob wissentlich oder unwissentlich, mit Glauben oder ohne Glauben gechantet.

Wie Feuer trockenes Gras zu Asche verbrennt, so verbrennt der Heilige Name Bhagavāns, ob wissentlich oder unwissentlich gechantet, unfehlbar alle Reaktionen sündhafter Taten zu Asche. Auf die gleiche Weise, wie eine Arznei von höchster Heilkraft auch bei einem Menschen, der sich seiner Wirksamkeit nicht bewusst ist, sicher wirkt – selbst zufällig eingenommen – so wirkt auch der Name Bhagavāns, selbst wenn er nur zufällig ausgesprochen wird (SB (6.2.18 – 19)).
Die Schriften warnen uns, derartige Aussagen nicht als bloße Lobreden (Arthavāda) aufzufassen. Andernfalls, so warnt das Padma Purāṇa, begehen wir eine Verfehlung gegen die Heiligen Namen.

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