Sri Chaitanya – der größte Empath

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von Satyanarayana Dasa

Mitunter ersucht eine Ehefrau: „Bitte bete für meinen kranken Mann.“ Wir nehmen uns in der Regel nicht die Zeit, über eine Aussage diese Art nachzudenken oder nachzuvollziehen, was sie wirklich bedeutet. Je nach Einfühlungsvermögen, können wir die Situation der Ehefrau logisch nachvollziehen, oder ihre Gefühle nachempfinden. Danach richtet sich dann unser Handeln. Unsere Reaktion hängt von unserer emotionalen Intelligenz ab, die Empathie mit einschließt.

Laut Harvard-Psychologe Daniel Goleman, Autor des Bestsellers „Emotionale Intelligenz“, ist die Grundlage der emotionalen Intelligenz die Selbstwahrnehmung. Goleman beschreibt vier Bereiche der emotionalen Intelligenz. Alle vier sind entscheidende Komponenten für die spirituelle Weiterentwicklung.

  1. Selbstwahrnehmung – das Bewusstsein über die eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen sowie darüber, wie das Ahaṅkāra und die Saṁskāras Denken, Fühlen und Handeln auslösen
  2. Selbstbeherrschung – Selbstdisziplin bei der Lenkung der eigenen Gedanken und Verhaltensweisen
  3. Empathie – Einstimmung auf andere mithilfe von Gefühlen (emotional), Verständnis (kognitiv) oder Mitgefühl
  4. Gesunde Beziehungen – Umgang mit sich selbst zur Erlangung von ausgesprochen konstruktiven Beziehungen.

 

Definition von Empathie

Das Oxford-Wörterbuch definiert Empathie als die Fähigkeit, die Gefühle eines anderen zu verstehen und zu teilen („the ability to understand and share the feelings of another“). Empathie bildet die Grundlage jeder gesunden Beziehung. Ohne Empathie ist eine Beziehung kalt und distanziert, da die Verbindung von Herz zu Herz fehlt. Einfühlungsvermögen wird einem in der Kindheit durch das Eingehen der Mutter auf die eigenen körperlichen und emotionalen Bedürfnisse vermittelt. In den vedischen Schriften heißt es, dass die Mutter der erste Guru ist, und, dass ihre Rolle erheblich wichtiger ist, als die des Vaters.

 

Drei Arten von Empathie

Es gibt drei Arten von Empathie, nämlich kognitive, emotionale und mitfühlende Empathie. Jede dieser Arten basiert auf einem anderen Bereich des Geistes.

Kognitive Empathie bedeutet zu wissen, wie sich eine Person fühlt und warum sie sich so fühlt. Es handelt sich hierbei um ein logisches Verständnis des mentalen Zustands einer anderen Person und wird manchmal als Perspektivübernahme bezeichnet. Daniel Goleman beschreibt kognitive Empathie als die Fähigkeit zu wissen, wie sich die andere Person fühlt und was sie denken könnte. Es geht dabei nicht um Gefühlsempfindungen. Menschen mit ausgeprägter kognitiver Empathie haben daher oft Schwierigkeiten mit emotionaler Intimität, dem Wesenskern menschlicher Beziehungen. Kognitive Empathie kann jedoch in Führungspositionen, in denen man sich in andere hineinversetzen oder mit Takt und Verständnis interagieren muss, von großem Vorteil sein. Die Kehrseite ist, dass jemand mit einem hohen Maß an kognitiver Empathie seinen klugen Verstand einsetzen kann, um andere auszunutzen, indem er ihre Gefühle und Empfindungen manipuliert. Da solch ein Mensch Experte darin ist, die Gedanken oder die Stimmung anderer zu lesen, weiß er genau, was er sagen muss, um andere nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.

Emotionale Empathie, auch bekannt als affektive Empathie, beschreibt die Fähigkeit, sich in die emotionale Realität eines anderen hineinzuversetzen, indem man fühlt, was er fühlt, sich sozusagen in seine Welt begibt. Emotionales Einfühlungsvermögen bedeutet laut Goleman physisch mit einer anderen Person mitzufühlen, als ob deren Gefühle ansteckend wären. Emotionale Empathie ist in Heilberufen wie der Psychotherapie oder der Krankenpflege, aber auch in der Elternschaft, insbesondere in der Mutterschaft, von Vorteil. Die Spiegelneuronen eines Menschen sind hierbei beteiligt. Sie reagieren auf eine bestimmte Weise, wenn ein Mensch das Verhalten einer anderen Person sieht und haben zur Folge, dass dieser das Verhalten in seinem eigenen Körper und Gehirn nachempfindet. Aus diesem Grund empfindet jemand mit einem hohen Maß an emotionaler Empathie die gleichen Gefühle wie die Person, die die Erfahrung tatsächlich macht, obwohl er ihr nur zuhört. Dies ist auch ein Merkmal eines Sahṛdaya im Rasa-Sāstra. Ein möglicher Nachteil der emotionalen Empathie ist, dass der Empath das Leiden anderer Menschen aufnimmt, indem er sich hineinziehen lässt und die Last oder Gefühle der anderen auf sich nimmt bzw. absorbiert.

Mitfühlende Empathie ermöglicht es uns, die missliche Lage eines Menschen nicht nur logisch nachzuvollziehen und seine Gefühle mitzufühlen, sondern ihm auch spontan zu helfen. Diese Form der Empathie wird auch als „empathische Sorge“ bezeichnet, was so viel bedeutet wie „du bist mir wichtig und ich möchte was gut für dich ist, nicht nur, was gut für mich ist.“ Mitfühlendes Einfühlungsvermögen schließt den Intellekt, die Gefühle und das fürsorgliche Handeln mit ein. Goleman zufolge bedeutet wahres Mitgefühl nicht nur, den Schmerz eines anderen zu empfinden, sondern auch, dazu bewegt zu sein, ihn zu lindern. Mitfühlende Empathie bedeutet, einen Mittelweg zu finden und die eigene emotionale Intelligenz zu nutzen, um mit liebevoller Distanz effektiv auf die Situation zu reagieren. Ein Vorteil von mitfühlender Empathie ist, dass sie einen Menschen zu einem Experten für zwischenmenschliche Beziehungen macht: Er weiß, wie er auf verschiedene Situationen reagieren muss. So ein Mensch ist in der Lage, die Realität einer anderen Person ohne Urteilen und Hintergedanken zu verstehen und zu akzeptieren. Zwischenmenschliche Beziehungen, die auf Aufrichtigkeit, Authentizität, Respekt und Wertschätzung beruhen, sind der Kern mitfühlender Empathie.

 

Empathie in materiellen Beziehungen 

Untersucht man die eingangs gestellte Frage der Frau, die um Gebete für ihren kranken Mann bittet, ist leicht erkennbar, wie eine Person aufgrund verschiedener Arten von Empathie reagieren würde. Es lohnt sich jedoch, die Frau selbst genauer zu betrachten. Aus welchem Grund stellt sie die Frage? Welche Art von Empathie hat sie für ihren Mann? Verfügt sie über kognitive Empathie, wird sie verstehen, dass ihr Mann krank ist, sie wird jedoch sein Leid nicht nachfühlen. Empfindet sie emotionale Empathie, wird sie das gleiche Leid empfinden wie er und um Gebete bitten. Die Spiegelneuronen der Frau bewirken, dass sie sich wie ihr Mann fühlt. Unser Gehirn ist mit Spiegelneuronen ausgestattet, um unser Einfühlungsvermögen zu fördern. Die Spiegelneuronen reagieren beim Beobachten und Erleben von Emotionen und ermöglichen uns, die Gefühle anderer zu deuten.

 

Empathie im Bhakti-Yoga

Im Bhakti-Yoga dreht sich alles um Empathie und Beziehungen. Alle anderen Wege führen zu einem unpersönlichen Ziel und beruhen auf Entsagung. Laut Śrī Rūpa Gosvāmī besteht der Kern von Bhakti darin, Śrī Kṛṣṇa und Menschen, die mit Kṛṣṇa in Beziehung stehen, durch das eigene Handeln zu erfreuen oder Dinge zu tun, die in Beziehung zu Śrī Kṛṣṇa stehen (ānukūlyenakṛṣṇa-anuśīlanam).  Für einen Sādhaka beginnt dies mit wohlwollendem Verhalten dem eigenen Guru gegenüber und gegenüber jenen, die mit dem Guru in Beziehung stehen, sowie mit dem Vermeiden von allem Unvorteilhaften (ānukūlyasya sākalpaḥ prātikūlyasya varjanam). Um wohlwollend zu handeln und nachteilige Handlungen zu vermeiden, muss man auf das Herz des eigenen Guru und der mit ihm verbundenen Menschen eingestimmt sein. Dies erfordert ganz gewiss ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz. Im vervollkommneten Zustand ist man auf Kṛṣṇas Herz und auch auf das Seiner Devotees eingestimmt. In Prīti Sandarbha (Anuccheda 158), betont Śrī Jīva Gosvāmī die Bedeutung von Empathie und Eingestimmtsein. Er schreibt: „Was wäre dazu noch zu sagen? In ausnahmslos allen Līlās von Vrindavan kann die Exzellenz (Utkarṣa) aller Manifestationen Kṛṣṇas (Prakāśa) und Seiner Līlās unmittelbar intuitiv von jenen Devotees erahnt werden, die empathisch auf deren Offenbarung (Sahṛdayas) eingestimmt sind.“

Śrī Kṛṣṇa selbst ist der größte Experte darin, sich auf alle einzustimmen. Dies geht aus Seinen Äußerungen hervor, wie beispielsweise aus diesen:

„Auf dieselbe Art und Weise, wie sich die Menschen Mir nähern, trete Ich mit Ihnen in Beziehung.“ (Gītā 4.11)

„Ich bin allen Lebewesen gegenüber gleich gesinnt. Mir ist niemand missliebig oder besonders lieb, doch diejenigen, die Mir mit Hingabe dienen, sind in Mir und Ich bin ebenfalls in ihnen.“ (Gītā 9.29)

„Ich trage Meine Devotees in Meinem Herz, und Meine Devotees tragen Mich in ihren Herzen. Sie kennen nichts anderes als Mich, und auch Ich kenne nichts anderes als Meine Devotees.“ (SB 9.4.68)

Der letzte Vers zeigt, wie Kṛṣṇa perfekt auf das Herz Seiner Devotees eingestimmt ist und, dass Seine Devotees gleichermaßen auf Sein Herz eingestimmt sind. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Im Śrīmad Bhāgavata in Vers 10.32.22 drückt Kṛṣṇa Seine Unfähigkeit aus, sich voll und ganz auf das Herz Seiner geliebten Gopīs einzustimmen. Er sagt:

„Meine geliebten Gopīs, deren Vereinigung mit Mir völlig rein und vollkommen ist und, die die strengen Bande des häuslichen Lebens vollständig durchtrennt haben, nur um Mir zu dienen: Selbst während einer Lebensspanne so lang wie jene Brahmas, könnte Ich den höchst tugendhaften Dienst, den ihr mir erweist (sva-sādhu-kṛtyam), nicht zurückzahlen. Mögen eure tugendhaften Taten durch euren eigenen Edelmut vergolten werden.“ (SB 10.32.22)

Um sich wirklich auf das Herz der Gopīs und insbesondere auf Śrīmatī Rādhā einzustimmen, erschien Śrī Kṛṣṇa als Śrī Caitanya Mahāprabhu in der Stimmung von Śrī Rādhā. Dies stellt Svarūpa Dāmodara Gosvāmi in seinem Kadacā fest: „Was macht die Herrlichkeit der Liebe Śri Rādhās aus, an der nur Sie sich erfreut?“ Wie wundervoll ist Meine Holdseligkeit, die Sie genießt? Wie groß ist Ihr Glück, das Sie aus dieser Erfahrung schöpft? Begierig darauf, dies zu ergründen, erschien, vertieft in Ihre Stimmung, der mondähnliche Hari im ozeangleichen Schoß von Śaci.“ (Zitiert in CC 1.4.230)

Obwohl Caitanya Mahāprabhu kam, um die Stimmung von Śrī Rādhā auszukosten, kam Er auch, um diese Stimmung zu offenbaren und an die konditionierten Lebewesen dieser materiellen Welt weiterzugeben. Diese Stimmung wird Mañjarī-Bhāva genannt. Sie stellt die höchstmögliche Form von Empathie dar. Schon das Wort Mañjarī weist auf diese Bedeutung hin. Mañjarī ist die Blüte der Tulasī-Pflanze. Die Gesundheit und reine Existenz der Mañjarī hängt von der Gesundheit und Existenz der Pflanze ab. Die Mañjarī ist vollständig abhängig von der Pflanze und auf sie eingestellt. Eine Mañjarī in Vraja ist auf die gleiche Weise auf das Herz von Śrīmatī Rādhā eingestimmt.

 

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